5. Juni 2020, von Benjamin Bäßler, Leiter, Bußgeldstelle des LfDI Baden-Württemberg
Die Datenschutzkonferenz (DSK) veröffentlichte am 14.10.2019 ihr Konzept zur Bußgeldzumessung bei Datenschutzverstößen durch Unternehmen. In den darauffolgenden Wochen und Monaten wurde das Konzept vor allem von Wirtschaftsverbänden und einzelnen Datenschutzexperten aus der Anwaltschaft kritisch kommentiert. Die Kritikpunkte waren dabei vielfältig. Während manche das Konzept als zu starr und zu wenig einzelfallbezogen ablehnten, bemängelten andere zu hohe Grundwerte und zu wenig Konkretisierung bei den einzelnen Bemessungsstufen.
Die Herausforderung:
Obgleich sich Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder vorrangig um eine Harmonisierung der Bußgeldpraxis auf europäischer Ebene bemühen, erschien es geboten auch der nationalen Bußgeldpraxis einstweilen zu einer einheitlichen Grundlage für die Zumessung zu verhelfen.
Als Hilfestellung gedacht, sollte das Konzept der DSK den Aufsichtsbehörden dabei innerhalb einer einheitlichen Systematik genügend Gestaltungsräume belassen, um jeweils einzelfallgerechte Entscheidungen treffen zu können. Ein Konzept, welches auch das Entschließungsermessen – also die Frage, ob ein Bußgeldbescheid erlassen werden soll – einbezieht, schied damit ebenso aus, wie eine allzu konkrete Ausgestaltung der Abwägungsstufe (Stufe 5 des Konzepts).
Die Lösung:
Vor diesem Hintergrund entwickelte die DSK ein Konzept, mit welchem beide Herausforderungen – also dem Wunsch nach einer einheitlichen Grundlage bei Wahrung ausreichender Gestaltungsspielräume – bewältigt werden können. Einer dritten und entscheidenden Herausforderung – die Bestimmung angemessener Bußen sowohl für die wirtschaftlich Kleinsten als auch für die Größten innerhalb eines enormen Rahmens – wurde mit der Festlegung von Grundwerten begegnet, die an den jeweiligen Umsatz anknüpfen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass Geldbußen – anders als im deutschen Ordnungswidrigkeitenrecht üblich – stets die wirtschaftliche Potenz der/des Verantwortlichen berücksichtigen und nicht allein auf die Schwere des Verstoßes abstellen.
Also Segen statt Fluch?
Das Konzept hat in manchen Teilen der Wirtschaft zu Verunsicherung geführt, weil sich für Unternehmen mit vergleichsweise hohen Umsätzen bei vergleichsweise niedrigen Gewinnen leicht hohe Grundwerte errechnen lassen, die teils über dem Gewinn eines gesamten Geschäftsjahres liegen können, sodass eine entsprechende Geldbuße einen existenziellen „Fluch“ bedeuten würde.
Tatsächlich beruht die Sorge vor solchen Bußgeldern auf Fiktion und nicht auf Fakten. Denn tatsächlich ist bislang von keiner Aufsichtsbehörde ein Bußgeld verhängt worden, welches allein aufgrund des Umsatzes und ohne Ansehung des Gewinns und der wirtschaftlichen Auswirkungen auf das Unternehmen bemessen worden wäre. Ein solches Bußgeld ist auch in Zukunft nicht zu befürchten, da auch das Bußgeldkonzept auf der Abwägungsstufe (Stufe 5 des Konzepts) ein Abweichen von den errechneten Grundwerten zulässt.
Einem einzelfallgerechten und wirtschaftlich tragbaren Bußgeld steht das Konzept in keiner Weise entgegen. Im Gegenteil, es fördert es sogar. Daneben leistet das Konzept einen Beitrag zum transparenten Verwaltungshandeln und versetzt die Verantwortlichen in die Lage, die wirtschaftlichen Folgen eines Datenschutzverstoßes besser abschätzen zu können.
Dies entbindet die DSK freilich nicht davon, das Konzept anhand der bisherigen praktischen Erfahrungen und der Kritiken aus Wirtschaft und Wissenschaft nachzuschärfen und fortzuentwickeln.
Leiter – Bußgeldstelle des LfDI Baden-Württemberg
Herr Bäßler ist Richter am Landgericht und seit Mai 2018 zum Aufbau und zur Leitung der Bußgeldstelle zum Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (LfDI) Baden-Württemberg abgeordnet.
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